DOMINIK: Lieber Herr Viehböck, im Moment leben ungefähr 7,5 Milliarden Menschen auf dem Planeten. Sie sind einer von ca. 580 Personen, die bereits im Weltall waren. Hätten Sie sich in Ihrer Jugend gedacht, dass Sie das einmal erreichen könnten?
FRANZ VIEHBÖCK: Das hab´ ich mir natürlich nicht gedacht. An solche Statistiken denke ich auch nicht wirklich, wenn ich so ein Projekt angehe. Das ist dann was für die Statistiker. Aber schade, dass es nur so wenig sind.
Wenn wir mal in Ihre Kindheit blicken. Bei vielen Menschen zeichnen sich schon extrem früh Charakterzüge ab, die dann bestehen bleiben. Wie war das bei Ihnen? Wie waren Sie als Kind?
Da müsste ich meine Kindergartentante fragen (lacht). Das kann ich jetzt gar nicht mehr sagen. Aber es war bei mir wahrscheinlich eher nicht so, dass man schon früher gesagt hätte, dass ich technisch interessiert gewesen wäre oder mal Astronaut werde oder so. Ich war eher sehr vielseitig. Ich habe sehr viel Sport getrieben. In der Schule hat sich dann gezeigt, dass meine Begabungen eher auf der technischen Seite liegen: Also Mathematik, geometrisch zeichnen, Physik, diese Dinge – Und weniger das humanistische. Und so hat sich das dann bei mir entwickelt. Aber es war bei mir nicht so, dass das schon klar ersichtlich war, wie es bei vielen Kindern der Fall ist – dass man zum Beispiel sagen könnte, der wird ein super Pianist oder der neue Einstein.
Was haben Ihre Eltern beruflich gemacht?
Mein Vater war Universitätsprofessor für Physik an der TU Wien und meine Mutter hat mit meinen beiden Brüdern und mit mir genug zu tun gehabt, die war zu Hause.
Hatten Ihre Eltern für Sie einen Plan, was die berufliche Zukunft anging, oder waren die da eher offen?
Ich hatte die komplette Freiheit. Obwohl mein Papa ja der Physik-Professor war, war hier überhaupt kein Druck und keine Tendenz für mich und meine Geschwister. Die haben mich da zu nichts gedrängt und das zeigt auch die Unterstützung, die wir drei Brüder da bekommen haben. Der eine ist Rechtsanwalt, der andere ist Arzt und ich bin der Techniker geworden.
Waren Ihre Eltern für Sie Vorbilder? Oder anders gefragt: Hatten Sie damals generell irgendwelche Vorbilder, zu denen Sie aufgeschaut haben?
Pfuh… Also immer wieder haben mich Leute begeistert und das war in ganz verschiedenen Bereichen. Als kleiner Bub hab´ ich viel Sport gemacht, hab viel Fußball gespielt und da habe ich mich natürlich für Fußballer interessiert. Dann irgendwann später mal andere Persönlichkeiten, die einfach tolles auf Ihrem Gebiet geleistet haben. Und ich habe dann auch das Glück gehabt, dadurch dass ich zur MIR geflogen bin, viele außergewöhnliche Persönlichkeiten kennenzulernen und mit manchen bin ich mittlerweile sogar gut befreundet. Und das ist immer wieder was tolles, wenn man von jedem ein bisschen was lernen kann.
Wenn jemand sagt: “Ich will so sein wie z.B. der Franz Viehböck”. Finden Sie das gut, oder sollte man anders an das Thema Vorbilder herangehen?
Ich glaube es ist absolut gut und wichtig, wenn junge Leute Vorbilder haben. Wenn ich zu der Gattung dazugehöre, freut mich das sehr. Weil ich auch glaube, dass Themen wie Weltraumforschung für Kinder & Jugendliche sehr interessant sind und das Land auch Menschen in dem Bereich braucht.
Haben Sie sich als Kind schon für die Raumfahrt begeistert?
Also ich war natürlich, wie viele andere, von der Mondlandung begeistert. Aber das war´s auch schon, also das war bei mir nicht mehr. Es war auch ein bisschen verwegen zu glauben, dass man als österreichsicher Junge in dem Alter zum Mond oder ins All fliegen könnte. Das war damals unrealistisch und eher Thema der Sowjets oder der Amerikaner.
Interessant, dass Sie das ansprechen. Würden Sie sich als Realist bezeichnen?
Ich würde mal sagen, ich bin optimistischer Realist.
Waren Sie das schon immer oder hat sich das in Ihrem Leben verändert?
Also ich weiß jetzt nicht, wie es ganz früher war, aber ich habe mich sicher nicht grundlegend verändert.
Also Apollo 11. Sie waren damals 8 Jahre jung…
Ja genau, kurz vor dem 9. Geburtstag…
Wie haben Sie das damals erlebt?
Zu Hause vor dem Fernseh-Schirm. Schwarz-Weiß Fernsehen war das damals noch. Und ich war natürlich total in den Bann gezogen von den vielen aufregenden Dingen, die um dieses Event herum stattgefunden haben. Und ich war auch fasziniert, dass da Menschen hinauffliegen mit einer Rakete – Der Start war ja schon unglaublich beeindruckend, das war toll anzusehen. Und dann ein paar Tage später die Landung am Mond, auch wenn man das als kleiner Bub von der technischen Seite nicht so sehr mitbekommt.
Da ist es dann, gerade in dem Alter, natürlich schon so, dass man gerne selber Astronaut sein würde.
War das der große Gedanke, während Sie das Event mitverfolgten? Dass Sie selbst gerne Astronaut wären?
Ja, auf jeden Fall. Wenn man dann immer wieder zum Mond rauf schaut und sich denkt: “da gehen jetzt gerade Menschen spazieren”. Das war schon eine fantastische Sache. Da ist es dann, gerade in dem Alter, natürlich schon so, dass man gerne selber Astronaut sein würde.
Besonders als Kind.
Absolut! Aber auch als Erwachsener ist das natürlich faszinierend. Denn da ist man dann ja auch in der Lage, viel bewusster zu verstehen, was da vor sich geht.
Sie sagen, als Sie die Mondlandung mitverfolgten, hatten Sie den Traum selbst ein Astronaut zu werden. War das damals eher ein vager, vergänglicher Wunsch oder eine richtige Entscheidung?
Nein, das war damals noch ein ganz normaler Wunsch, wie man ihn als Kind halt hat. So, wie wenn jemand mal ein Fußballer werden will, weil er gerne Fußball schaut. Also das war so eher auf dem Niveau und kein richtiger Entschluss.
Mit 8 Jahren sind Sie schon in die Schule gegangen. Wie haben Sie Ihre Schulzeit in Erinnerung?
An die Volkschule habe ich sehr wenig Erinnerungen, eher dann die Gymnasium-Zeit. Ich habe immer viel Spaß gehabt in der Schule. Durchaus auch auf Kosten des einen oder anderen Lehrers (schmunzelt). Also ich war dann immer eher in einer “schlimmen” Klasse, wo man auch Streiche spielte und so weiter.
Ich hatte immer viel Spaß und ich war auch immer ein Schüler, der nicht besonders fleißig war – aber ich war auch nicht der dümmste.
Also ich habe dann schon immer geschaut, dass ich überall halbwegs durchkomme. Lauter Einser waren für mich überhaupt kein Thema, aber es war auch nie das Risiko da, dass ich womöglich eine Klasse wiederholen hätte müssen. Ich habe das einfach so gemanaged, dass ich überall durchkomme.
Und am Ende hat sich dann auch gezeigt, dass mir die technischen Fächer sehr lagen. Also Mathematik, Geometrie, Physik und so weiter – Das ist mir sehr leicht von der Hand gegangen.
Würden Sie das als Talent bezeichnen?
Ja, naja. Ich finde, jeder Mensch hat irgendwo seine Begabungen. Und jeder ist in manchen Dingen besser und in manchen schlechter. Das ist mir einfach von Natur aus leicht gefallen. Das Musikalische war bei mir interessanterweise auch sehr gut. Wo ich mir ziemlich schwer getan habe, waren Sprachen. Also der große Schriftsteller bin ich sicher nicht. Und so sind halt meine Fähigkeiten herausgekommen…
Ich kenne viele Leute, die sagen sie haben in der Schule einfach keinen Sinn gesehen. Weil sie zum Beispiel Dinge gelernt haben, die sie im Leben einfach nicht brauchen. Und weil es auch viel darum geht, ruhig in der Reihe zu sitzen und zu gehorchen… Können Sie sich noch erinnern, wie das bei Ihnen war?
Gute Frage. Im Großen und Ganzen habe ich mir schon einen Sinn gesehen. Wo ich mir bis heute schwer tue, ist der Sinn des Latein-Unterrichts und der lateinischen Sprache. Da diskutiere ich bis heute mit meiner ehemaligen Latein-Lehrerin, ob das wirklich sinnvoll ist oder nicht. Für mich war das überhaupt nicht schlüssig, warum ich das lernen soll. Und natürlich, wenn man da in der Schule sitzt und hört was über die Griechen, Römer oder sonst was… Das lernt man halt einfach. Den Sinn darin erkennt man dann halt erst im Nachhinein. Und später ist mir schon auch klar geworden, dass fast alles, was man in der Schule lernt, schon irgendwie einen Sinn macht – In verschiedenster Art.
Okay. Erkennen Sie auch einen Zusammenhang zwischen guten Schulnoten und dem Erfolg im Leben?
Ich bin einer von denen die sagen, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Es ist ja auch interessant bei mir in meiner ehemaligen Klasse… Alle die da beruflich erfolgreich sind, waren in der Schule absolut mittelmäßig.
Wie war damals Ihr Umfeld? Waren das auch eher die Mittelmäßigen und weniger die Streber?
Genau so war´s. Wir waren immer die, die gerade so durchgekommen sind. Also überhaupt keine Streber. Für uns haben aber auch andere Dinge eine wichtigere Rolle gespielt. Es war nicht so, dass wir nichts gemacht und gelernt haben, weil wir nur zu Hause gefaulenzt haben. Es hat einfach andere Dinge in unserem Leben gegeben, für die wir unsere Zeit lieber genutzt haben. Und die hatten dann quasi Vorrang. Das war uns einfach wichtiger als die Schule.
Aber es ist auch so, dass sehr viele dieser Leute von damals heute beruflich sehr erfolgreich geworden sind.
Spannend. Wir haben vorhin auch von Ihren Eltern gesprochen. Sind Sie sehr fürsorglich aufgewachsen, oder mussten Sie eher schnell erwachsen werden?
Nein ich bin sehr fürsorglich aufgewachsen. Und ich bin ja auch der jüngste von 3 Söhnen – dadurch wurde ich natürlich noch mehr behütet. Von meiner Mutter speziell. Also ich bin schon eher fürsorglich aufgewachsen.
Als Sie dann aber erwachsen geworden sind fingen Sie ein Studium an der TU Wien an. Und zwar in der Studienrichtung Elektrotechnik. Was hatten Sie denn damals für eine Vorstellung von Ihrer eigenen beruflichen Zukunft? Was war der Plan?
Der Plan war damals noch sehr unklar für mich. Das hat sich dann für mich im Zuge des Studiums immer mehr und mehr heraus-kristallisiert. Ich habe ja auch schon angefangen mit dem Glauben, dass ich mich danach mit dem Elektrischen super auskenne – Also dass ich dann weiß, wie so ein Fernseher funktioniert oder ein Radio oder solche Sachen. Und es hat sich dann relativ schnell herausgestellt, dass das gar nicht so der Fall war. Das hat sich auf einer viel tieferen und theoretischeren technischen Ebene abgespielt. Es war für mich dann auch eine spannende Geschichte, dass das Studium in den ersten Semestern eine reine theoretische Sache war. Also Mathematik, Mathematik und dann nochmal Mathematik und so weiter. Das war schon mal ein Augenöffner. Dann wächst man aber in sowas hinein. Das ist wahrscheinlich eh bei den meisten Studenten so, die in dieser technischen Schiene beginnen. Und dann kristallisiert sich eben so langsam heraus, was man beruflich machen will. Und für mich war dann der Plan sehr interessant, in ein technisches Laboratorium zu gehen, wo ich sozusagen das was ich im Studium gelernt habe, anwenden kann. Das wäre zum Beispiel der CERN gewesen.
Dort hätte ich mich dann zum Beispiel gesehen. Also ich habe mich zum Beispiel überhaupt nicht in der Industrie wiedergefunden.
Aber wir hatten da den Luxus, dass wir Studenten nach dem Abschluss von etwa 20 Firmen zum Essen eingeladen wurden – in guten Lokalen. An Ingenieuren wie uns war also damals ein riesen Bedarf. Und da hat man den Absolventen eben sehr viel geboten und hat versucht, sie mit solchen Dingen zu ködern. Aber für mich war das trotzdem nie eine Option, für so eine große Firma zu arbeiten. Alleine dir Vorstellung daran war schon furchtbar.
Aus welchem Grund?
Weil ich diese Strukturen in Großkonzernen und so weiter einfach nicht mochte. Ich hatte immer das Gefühl, da kann ich mich nicht verwirklichen und da bin ich ein Glied unter vielen, das nichts bewegen und verändern kann.
Das war dann natürlich auch interessant für mich, als ich vor ein paar Jahren bei Boing gearbeitet habe – Mit 200.000 Mitarbeitern.
Das heißt Sie sind wahrscheinlich eher ein Freiheitsmensch…
Ja, absolut. Ich bin ein großer Freiheitsmensch. Generell ist mir Freiheit extrem wichtig in allen Facetten. Körperliche Freiheit, die Freiheit der Gedanken,…
Eine kurze Frage noch zum Thema Uni. Was hat Ihnen das Studium gebracht – und zwar auf persönlicher Ebene?
Das ist eine sehr gute Frage – und auch richtig gestellt. Denn fachlich hat es mir nur am Anfang etwas gebracht. Je älter ich geworden bin, desto weniger hat es fachlich etwas genutzt. Aber es hat mich persönlich weitergebracht. Weil gerade in so einem Studium lernst du, komplexe Themen und komplizierte Problemlösungen zu handhaben und den Dingen auf den Grund zu gehen. Und das hat mir sehr viel genützt. Das war dann auch das Rüstzeug für mich, in einem sehr breiten Feld tätig zu sein. Und ich habe dann auch bei vielen Themen mitreden können, auch wenn sie nicht unmittelbar etwas mit dem Studium zutun hatten – einfach weil ich die Dinge schon gut einschätzen konnte.
Würden Sie jungen Menschen heute zu einem Studium raten? Oder anders gefragt: Wem würden Sie zu einem Studium raten?
Ich glaube, wenn jemand schon herausgefunden hat, was er gerne macht und wo er gut ist, dann ist ein Studium unbedingt empfehlenswert. Weil man dann auch wirklich in die Tiefe hineinkommt. Dort kann man sich dann quasi das Grundwissen erarbeiten, auf dem man später aufbaut und das einem hilft. Und wenn jemand noch gar nicht weiß, wo seine Fähigkeiten liegen, dann würde ich es ganz und gar nicht empfehlen. Gerade in einer technischen Richtung. Denn es ist schwer und es ist lange. Also da ist es durchaus gescheit, wenn du dir ein oder zwei Jahre nimmst und einfach mal so viel wie möglich herumprobierst, um herauszufinden was du gut kannst und was dir gefällt. Der größte Fehler ist, sich komplett auf eine Schiene einzuschießen und dann nach 10 oder 15 Jahren im Beruf draufzukommen: “Hoppala, eigentlich ist das nicht das richtige für mich”.
Also wenn man mal ungefähr eine Richtung hat, ist das Studium schon sehr sinnvoll, weil man eben lernt, komplexe Problemlösungen zu schaffen.
Sehr spannend. Nachdem Sie das Studium abgeschlossen haben… Was haben Sie da beruflich gemacht?
Nachdem ich ja nicht in die Industrie gehen wollte, ist die wissenschaftliche Karriere in den Vordergrund gerückt. Und ich wurde dann Assistent an der TU Wien. Das war dann für mich auch der vorgezeichnete Weg: Dissertation machen und dann beim CERN zu arbeiten und da weiterzumachen.
Das war also der Plan A…
Genau.
…der dann aber doch nicht Realität wurde. Sie sind dann quasi in das erste richtige Raumfahrtprogramm von Österreich “gerutscht”. Wie kam´s dazu?
Einerseits Glück und Zufall. Ich sah in den Medien, dass Kandidaten und Kandidatinnen gesucht wurden für ein Raumfahrtprojekt mit den Russen – oder damals noch Sowiets. “AustroMIR” hieß das. Und im Zuge dessen sollte ein Österreicher oder eine Österreicherin Experimente auf der Raumstation durchführen. Und das habe ich gesehen und gedacht: “Ich bin gesund, ich mache Sport, rauche nicht, trinke keinen Alkohol…”. Und dann habe ich mich beworben.
Einfach so.
Mhm.
Das heißt aber, der Wille muss schon tief in Ihnen verankert gewesen sein. Wenn ich hier im Kaffeehaus irgendjemanden frage, ob er gerne ins Weltall fliegen würde, dann würde wahrscheinlich jeder Ja sagen. Aber wenn es dann darum geht, es tatsächlich zu tun, scheiden glaube ich die meisten aus.
Ja, das stimmt.. Es war jetzt keine Entscheidung wo man sagt: “Ich probiers mal”. Sondern das war schon ein fester Entschluss. Das hat mich sehr gereizt – auch weil ich einfach ein Abenteurer bin. Ich reise sehr gerne, habe auch bis dahin verschiedene Kontinente bereist und das war dann auch schon eine Interesse. Aber es war nicht so, dass ich mein Leben lang darauf gewartet hätte und dann gedacht hätte: “Endlich ist die Chance da”. Es war eher so: “Ja super, das werde ich machen. Aber wenn es nichts wird, dann wird es eben nichts”. Weil ich war ja auch nicht der Einzige, der zur Auswahl stand.
Sie haben sich selber keinen Druck gemacht.
Genau.
Was hatten Sie denn für Erwartungen, als Sie sich beworben haben?
Ehrlich gesagt, keine. Ich konnte das noch nicht abschätzen, wie das so abläuft und wie viele sich da bewerben. Und die Auswahl war dann sehr interessant. Die ging in 5 Schritten von statte. Zu erst waren da einige hausärztliche Untersuchungen und so weiter. Da wurde dann Schritt für Schritt reduziert und irgendwann waren nurmehr 50 Leute zur Auswahl. Da gabs dann ein Überlebenstraining, Fallschirmsprung und so weiter. Also das waren schon spannende Sachen wo ich dachte, das würde ich schon sehr, sehr gerne weitermachen.
Da stand dann zum Beispiel noch ein Flug mit einem Bundesheer-Jet an und das wollte ich dann unbedingt noch machen. Also das waren dann noch so 2-3 Etappen, die ich unbedingt erreichen wollte. Und plötzlich habe ich mich gefunden unter den letzten 13 im Heeresspital. Da wurden wir 2 Wochen lang von oben bis unten komplett durch untersucht.
Und da war der Spaß dann halt komplett vorbei. Aber ich hab mir gedacht, jetzt bin ich schon so weit, da will ich nicht das ganze Projekt für mich opfern, nur wegen 2 Wochen Spital. Ich dachte mir dann, das zieh ich jetzt durch.
Sie haben gerade das Überlebenstraining erwähnt. Das haben Sie glaube ich in der Nähe von Moskau absolviert… Welche Dinge haben Sie da erlebt?
Naja. Das heißt ja Überlebenstraining – aber der Begriff ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Das war vom österreichischen Bundesheer organisiert und hat bestanden aus einem Fallschirmsprung, oder einem 25 Kilometer Marsch durch die Berge dort. Und dort haben wir zum Beispiel Übungen gemacht mit Abseilen und Co. Oder dann sind wir oft am Abend auf dem Flugfeld noch 2 Stunden hin und her gegangen. Also das war kein wirkliches Überlebenstraining. Das richtige kam dann erst später, als die Auswahl schon feststand. Das waren dann Vorbereitungen für eine Notsituation, wo man quasi weit abgelegen vom geplanten Zielgebiet landet. Das waren dann solche Sachen.
Ah okay. Als es dann richtig ernst wurde – nach der Auswahl – und Sie Ihre ersten Trainingstage hinter sich hatten. Hat Ihnen das Spaß gemacht oder wurden Sie quasi von der “harten Realität” überrollt?
Nein, da war ich schon so fixiert auf das Ziel. Da gibt es kein links und rechts mehr.
Nix mit aufgeben.
Null. Da ist man schon so weit. Das passiert wenn dann früher, dass man sagt: “Nein, taugt mir doch nicht. Das lass´ ich lieber”. Also ich hab´ dann nur noch nach vorne geschaut.
Wann wurde dann endgültig entschieden, dass Sie der Astronaut sind, der zur MIR fliegt? Oder eigentlich ja dann der Kosmonaut.
Wir waren ja zu zweit. Und die Grundsatz-Entscheidung war dann 5 Monate vor dem Flug. So eine Entscheidung hält dann auch. Also außer einer von der ersten Flugmannschaft wird krank.
Aber bis zu dieser Entscheidung – 5 Monate vor dem Flug – wussten Sie nicht sicher, ob Sie der Astronaut werden, der tatsächlich hochfliegen darf.
Ganz genau.
Gab es da untereinander auch eine gewisse Rivalität und ein Konkurrenzdenken?
Natürlich gibt es irgendwie ein Konkurrenzdenken, keine Frage. Aber bei mir hat das relativ schnell aufgehört. Wir waren dann schon so gut befreundet, dass wir eher miteinander gearbeitet haben, als gegeneinander. Wir haben uns sogar gegenseitig geholfen bei der Endauswahl. Da gabs zum Beispiel ein Interview und wir haben uns gegenseitig verraten: “Pass auf, der fragt dieses und jenes”. Also das war kein wirkliches Konkurrenzdenken, weil es auch nichts gebracht hätte. Man ist so wie man ist, man hat die Stärken die man hat und zu denen sollte man stehen. Und man hat auch Schwächen, so wie jeder Mensch, zu denen man stehen sollte. Und aufgrund dessen hat die Jury dann entschieden, wer die Nr. 1 wird.
Sie haben sich auf sich selber konzentriert und nicht auf die oder den anderen.
Genau.
Am Tag des Starts, dem 2. Oktober 1991 – als Sie da morgens aufgewacht sind, was waren Ihre ersten Gedanken?
Naja, da war ich schon voll im Funktions-Modus und extrem konzentriert. Da gab´s dann nochmal eine ärztliche Volluntersuchung mit Blutdruckmessen und allem was dazu gehört. Und dann hatte ich noch eine ärztliche Behandlung, die ich über mich ergehen lassen musste – Damit man dann möglichst lange nicht auf die Toilette gehen musste.
Dann ging´s noch zum Frühstück und anschließend gab´s ein paar zeremonielle Dinge. Da bringt man alle Sachen aus dem Zimmer, unterschreibt noch an der Tür und steigt dann in den Bus.
Mit dem fährt man dann fast eine Stunde bis zum Startgelände. Dort ist dann ein Gebäude, wo man den Raumanzug angezogen bekommt und so weiter.
Da wurd´s dann quasi ernst. Hatten Sie an dem Tag irgendwann mal Angst oder sogar Panik? Ein paar Jahre zuvor ist ja auch das Space Shuttle mit einigen Crew-Mitgliedern an Board beim Start explodiert…
Ja, das war für mich natürlich präsent. Aber ich habe mich während der ganzen Ausbildung immer sehr kritisch mit der Technik auseinandergesetzt. Und so habe ich mich immer gefragt “Was ist wenn…”. Ich wollte mich also selbst davon überzeugen, dass das alles sicher ist und hab das auch geschafft. Und am Ende gab´s dann überhaupt nichts mehr, wo ich irgendwie bedenken hatte – Auch wenn das ganze natürlich ohne Frage ein Risiko war.
So hatte ich dann direkt vor dem Start auch keine Angst, dass irgendetwas passieren könnte. Ich hatte 4 Tage vor dem Start mal kurz Angst. Da war ich alleine in einem Raum und mir ist plötzlich bewusst geworden: “Wenn das Ding schiefgeht, dann sehe ich meine Tochter nicht mehr”. Ihre Geburt war ja so 2-3 Wochen später geplant. Und dann habe ich geschaut, dass ich schnell wieder aus dem Raum raus und unter Leute komme und dann war das wieder vorbei. Und beim Start selber ist man ja nicht ängstlich, sondern sehr fokussiert und aufgeregt – ein bisschen wie bei einer Prüfung.Mit dem fährt man dann fast eine Stunde bis zum Startgelände. Dort ist dann ein Gebäude, wo man den Raumanzug angezogen bekommt und so weiter.
Wenn wir jetzt nochmal ein paar Stunden zurückspulen. Sie sind in diesem Gebäude, wo die letzten Vorbereitungen getroffen werden. Ihr Raumanzug wird Ihnen angelegt… Geht´s dann direkt weiter zum Start?
Wenn man angezogen ist, steigt man wieder in einen Bus. Und die Fahrt dauert dann ungefähr 10 Minuten. Da bleibt man dann in der Wüste noch kurz stehen zum letzten Mal austreten – das ist so Tradition, weil das der Juri Gagarin auch schon gemacht hat. Und alles was der Gagarin gemacht hat, machen wir anderen auch. Man schaut sich übrigens auch am Tag davor den gleichen Film an, den sich der Gagarin angeschaut hat…
Echt? Welcher ist das?
“Die weiße Sonne der Wüste” heißt der.
Und wenn man dann mit dem Bus am Startgelände angekommen ist, gibt´s noch ein paar hohe Generäle. Bei denen verabschiedet man sich und sagt: “Die Mannschaft ist bereit”. Dann geht man in den Aufzug, der die Crew zur Einstiegsluke bringt und dann steigt man ein. Das ist etwa 2 Stunden vor dem Start und dann geht´s halt los.
So eine Kapsel ist ja extrem klein. Sie wurden da quasi eingezwengt in Ihren Sitz und mussten lange Zeit in dieser Position verharren…
Ja, genau. Da sitzt du dann eben 2 Stunden vor dem Start, den Start selber auch noch und dann nachdem man in der Erdumlaufbahn ist kannst du eine Luke öffnen, dich abschnallen und dich ein bisschen ausstrecken. Da hast du dann einen kleinen Lebensraum mit WC und Co.
Nochmal ein paar Minuten zurück… Beim Start selber. Sie sitzen also in dieser winzigen Kapsel, angespannt und fokussiert. Und dann geht´s los, T-10 und so weiter… Wie hat sich das für Sie angefühlt?
Da war es sehr spannend, mich selbst zu beobachten. Mein Kollege meinte noch, er hört jetzt sein Herz schlagen. Der zweite auch. Und ich war ziemlich überrascht, dass ich da sehr ruhig geblieben bin. Da kannst du ja auch nicht mehr sagen, du willst raus oder irgendwas. Da gibt es dann kein zurück mehr. Ich hatte auch einen ziemlich ruhigen Puls von 72 beim direkten Abheben. Und das hat mich schon überrascht, weil ich sonst ein sehr emotionaler Typ bin. Ich hatte auch bei jedem Arztbesuch vorher sehr hohen Blutdruck, also das war überraschend für mich.
Das sind ja auch enorme Kräfte, die da freigegeben werden…
Stimmt. Naja, also beim unmittelbaren Abheben nicht… Sind Sie Techniker?
Hm. Naja…. Nein, eigentlich nicht.
Hah, Okay.
Also wenn so eine Rakete abhebt ist es nicht so, dass sie wegkatapultiert wird, sondern die hebt ziemlich langsam ab. Und die Beschleunigung steigt linear an bis dann die erste Stufe abgesprengt wird. Und das ist ein relativ unangenehmer Vorhang, wenn man nicht darauf vorbereitet ist. Weil dann ist der ganze Schub weg und man hat das Gefühl, da ist ein Problem mit den Triebwerken. Das hat mich schon erschrocken. Aber da gabs so ein Sicherheitssystem, das die Kapsel von der Rakete wegsprengt, falls wirklich irgendwas ist. Und das sind dann so richtige Katapulte, wo du blitzartig mit 20G zur Seite geschleudert wirst. Das war aber nicht der Fall, es ist alles normal gelaufen. Und dann, nach weniger als 9 Minuten spürt man einen starken “Tritt in den Hintern” und dann bist du schwerelos.
Wie fühlt sich das denn an … schwerelos zu sein?
Der unmittelbare Moment ist so, als wenn man nach vorne fliegen würde, weil plötzliche die Schwerkraft kompensiert wird. Und dann kommst zu einer Verschiebung von Körperflüssigkeiten und das Blut schießt dir in den Kopf. Du hast quasi das Gefühl, du kippst nach vorne weg. Ja, und dann bist du eben schwerelos.
Es ist wirklich schwer, das zu beschreiben. Man kann es auch sehr schwer mit etwas vergleichen. Es gibt manche Flugzeuge, die können sogenannte Parabelflüge machen. Da kann man das bis zu einer halben Minute simulieren. Aber sonst gibt´s eigentlich nichts, womit man das vergleichen könnte. Was so ein bisschen in die Richtung geht ist Tauchen, wenn man sich da unter Wasser quasi auf eine gewisse Höhe eingependelt hat und schwebt. Aber da wirkt trotzdem die Schwerkraft. Also in der Schwerelosigkeit schwebt man richtig.
Spannend. Also das Blut schießt einem in den Kopf? Das heißt, man bekommt auch relativ rasch kopfweh?
Ja, genau. Das kommt relativ schnell, aber es wird über die nächsten Tage immer weniger, weil der Körper an Flüssigkeit verliert. Da gibts dann so Tricks, wo man sich zum Beispiel mit Manschetten die Oberschenkel abschnürt, damit mehr Blut unten bleibt und so weiter.
Wann sind Sie dann bei der MIR angekommen und konnten andocken?
2 Tage nach dem Start.
Es gibt ja tolle Videos im Internet, in denen man sieht wie Sie in der MIR ankommen und von den Kosmonauten mit dem Donauwalzer empfangen werden. Als Sie da oben angekommen sind, in der Raumstation, hatten Sie da ein Gefühl von Triumph? Dachten Sie da “Jetzt hab ich´s geschafft”?
Nein, das hatte ich überhaupt nicht. Das war ein tolles Willkommens-Geschenk. Aber dass ich jetzt gedacht hätte “Jetzt hab ich das Ziel erreicht” – so war´s nicht. Weil eigentlich ist es ja damit erst losgegangen. Da stand die eigentliche Arbeit dann vor der Tür. Das Wesentliche war ja die Durchführung der Experimente auf der Station. Also gefreut habe ich mich natürlich riesig, aber dieses Triumphgefühl war nicht dabei.
War da Ihre Tochter schon auf der Welt?
Ja, die war schon auf der Welt. Ich konnte Sie aber noch nicht sehen. Und 2 Tage später wurde mir dann ein Video rauf gespielt, da habe ich sie zum ersten Mal gesehen.
Schön … Wie war dann der Alltag auf der MIR?
Minutiös durchgeplant. Also in der Früh aufstehen mit Morgentoilette und allem was dazu gehört, dann Frühstück und dann 8 Stunden arbeiten. Und da war wirklich ganz genau geplant, wann ich welche Experimente wie mache. Dann gab´s so Themen wie Pressekonferenzen. Das war wirklich alles auf die Minute genau geplant und am Abend hatte man dann ein bisschen Freizeit…
Welche Möglichkeiten gab´s da für die “Freizeitgestaltung”?
Naja, es gab natürlich einige symbolische Tätigkeiten, die man machen musste. Z.B. Briefumschläge, die man da oben unterschreiben musste und so weiter. Und man redet natürlich viel und dann ist es auch so, dass man in Wirklichkeit diese minutiös geplanten 8 Stunden nicht immer genau einhält. Weil es kann ja auch sein, dass man z.B. mal nachmittags über Österreich fliegt und das will man sich natürlich anschauen. Die Arbeit muss man dann natürlich wieder hinten anhängen. Also es gab eigentlich immer etwas zu tun.
Gab´s eigentlich in der gesamten Mission irgendwelche Überraschungen?
Überhaupt nicht.
Auf alles eingestellt.
Ja, hat alles total super funktioniert. Es gab nichts, worauf wir nicht vorbereitet waren.
Sie waren dann 6 Tage auf der MIR, sind am sechsten Tag wieder zur Erde zurück geflogen und da dann relativ unglamourös gelandet…
Hah, das stimmt.
Was war da Ihr erster Gedanke?
Dass ich am liebsten gleich mit der nächsten Rakete wieder rauf fliegen würde.
Sie haben das All vermisst…
Auch. Aber ich habe dann relativ schnell die ersten Journalisten gesehen und gedacht: “das kann´s doch nicht sein, dass die nicht nur hier in das Café Schwarzenberg kommen, sondern auch in die Steppe in Kasachstan”. Und da war da dann gleich der sehnsüchtige Wunsch da, wieder zurück zu fliegen. Ich war aber auch frustriert, dass es wieder vorbei war und ich wusste ja, dass es das länger nicht mehr spielen würde.
Also das war echt Frustration?
Das war Frustration. Weil das ja nicht so ist wie bei der Schnellbahn wo man in den falschen Zug einsteigt und dann an der nächsten Station aussteigt und wieder zurückfährt. Das geht dann da nicht mehr. Die Frustration war aber nach ein paar Minuten schon wieder weg.
Würden Sie es heute wieder machen?
Natürlich, immer!
Wie ging´s denn dann danach weiter, als Sie wieder auf der Erde zurück waren?
Es gab auch nachher noch einige Tage für die Experimente. Dann hab ich natürlich wieder an der körperlichen Regeneration gearbeitet und am 20. Oktober bin ich dann wieder nach Österreich zurückgekehrt.
Also 10 Tage nach der Landung.
Ganz genau.
Retrospektiv betrachtet: Was haben Sie aus dieser ganzen Kosmonauten-Zeit gelernt?
Also abgesehen von dieser unglaublichen persönlichen Erfahrung habe ich viel mitgenommen für mein berufliches Leben. Auch für das Management oder für meine Arbeit als Führungskraft. Da gab´s viele viele Dinge, die ich später im beruflichen Leben anwenden konnte. Aber natürlich die persönliche Erfahrung war schon stark.
Danach ging´s ja beruflich in eine etwas andere Richtung.
Ja also zuerst habe ich noch 2 Jahre Vorträge gehalten, habe für Experimente nachgearbeitet und diverse Konferenzen besucht. Und dann habe ich beruflich gewechselt und bin nach Amerika gegangen – Zur Firma Rockwell. Die wurden dann gekauft von Boing und dann war ich 8 Jahre lang dort. Und dann bin ich 2002 nach Österreich zurück und zur Firma Berndorf Band gegangen. Seit Anfang 2008 bin ich dort auch im Vorstand und nächstes Jahr übernehme ich den Posten des Vorstandsvorsitzenden.
Abschlussfrage: Sie haben wirklich viel erreicht. Welche Ziele haben Sie jetzt noch?
Also ich habe natürlich immer wieder Ziele und ich finde, jeder Mensch sollte Ziele haben und ein bisschen visionär sein. Ich habe in den verschiedensten Bereichen Ziele und es ist für mich auch immer wichtig, dass ich etwas habe, worauf ich hinarbeiten kann und wo ich mich vorbereiten kann.